Warum die Kritiker des Vaterschaftsurlaubs falsch liegen. Die neue «wir eltern»-Bloggerin Claudia Joller zerpflückt Gegenargumente.
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zvg
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Laut Umfragen wünschen 81% der Schweizer Bevölkerung den Vaterschaftsurlaub, sagen die Initianten von «Vaterschaftsurlaub jetzt!». Lese ich Kommentarspalten der hiesigen Medien, komme ich eher zum Schluss, dass 81% der Bevölkerung entschieden gegen die «Papizeit» sind und das alte Rollenbild der Hausfrau/Mutter und des Ernährers/Vaters sehr gerne ins nächste Jahrhundert retten möchten. Drei häufig genannte Argumente in den Leserkommentaren knöpfe ich mir mal vor.
Nr. 1: «Kinder sind Privatsache!» Falsch. Die Allgemeinheit sei nicht dazu da, die Selbstverwirklichung der Eltern durch ihre Kinder zu finanzieren. Nun gut, aber müssen wir dann nicht den Grundgedanken all unserer Abgaben an den Staat in Frage stellen: Sozialversicherungen, Subventionen in der Landwirtschaft, die Armee... Ist Arbeitslosigkeit auch Privatsache? Natürlich nicht! Ist unsere Altersvorsorge auch Privatsache? Mitnichten! Wer finanziert in Zukunft die AHV? Die Kinder. Etwas einfach gesagt: je mehr Kinder, desto sicherer die Finanzierung unserer Sozialwerke. Kinder sind nicht Privatsache, sondern die Zukunft der Gesellschaft.
Nr. 2: «Früher gings auch ohne Vaterschaftsurlaub!» Ähm, ja. Aber: Es ging sogar ohne Mutterschaftsurlaub. Die Gesellschaft hat aber auch anders funktioniert. In den letzten 130 Jahren hat sich die Schweiz von einem Agrarland zur Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Früher gab es Grossfamilien, andere Arbeitsgewohnheiten, ein anderes Rollenbild. Früher gab es auch ein «Handbuch für die gute Ehefrau» und der Mann war laut Gesetz Familienoberhaupt. Väter sind heute mehr als nur Erzeuger. Und sie wollen auch mehr sein als Geldesel und Samenspender. Tragen wir dem Rechnung.
Nr. 3: «Die Männer können ja Ferien nehmen!» Nein. Ferien sind laut der Absicht des Gesetzgebers zur Erholung da. Wer den Alltag mit einem neugeborenen Baby erlebt hat, weiss, dass diese Zeit so viel mit Erholung zu tun hat, wie der Papst mit «Pretty Woman». Vater- und auch Mutterschaftsurlaub sind keine Ferien.
Mein Mann hat nach der Geburt vom Arbeitgeber 5 Tage Urlaub erhalten, die er in den ersten vier Wochen bezogen hat. Nach einer langen, kräftezehrenden Geburt, die im Kaiserschnitt endete, war ich mehr als nur froh, seine Hilfe in Anspruch nehmen zu können – ansonsten hätte ich die Spitex gebraucht. Kinder sind unsere Zukunft – gesellschaftlich, wirtschaftlich, kulturell. Die reiche Schweiz kann sich einen Vaterschaftsurlaub leisten: verzichtet jeder Arbeitnehmer auswärts auf eine Tasse Kaffee (oder eine Stange Bier) pro Monat, sind die Kosten gedeckt. Tut uns das wirklich so weh im Portemonnaie?
Bloggerin Claudia Joller
Claudia Joller ist 1984 im Fricktal geboren und hat sich ins Luzerner Exil abgesetzt. Sie unterrichtet Wirtschaft und Gesellschaft an einer Berufsschule und ist seit Februar 2016 Mutter einer kleinen Tochter. Seit der Geburt ist eigentlich so gut wie gar nichts mehr, wie es vorher war und sie ist staunend freudig gespannt, was die Reise mit dem kleinen Leben an der Hand noch für Abenteuer für sie bereit hält.
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